Sydney - Gemischte Eindrücke
Wäre es möglich, dem Bezirk Kings Cross seiner zum Teil bemerkenswerten Bars zu berauben, diese zu verpflanzen, ihn sonst aber ersatzlos aus dem Sydneyer Stadtplan zu streichen, so könnte diese Stadt eine nicht uncharmante sein. Die Schwierigkeit dieses Unterfangens trübt allerdings mein Stadtbild.
Downtown ähnelt die Metropole eher New York als Melbourne, aber östlich vom Hyde Park, da wo sich Kings Cross, Potts Point und Darlinghurst aneinander drängen, ist das Vergnügungslust-, Drogen- und Rotlichtmilieu der bittere Beigeschmack. Sydneys Strände, die als ihr einziges Manko nicht in greifbarer Stadtnähe liegen, versuchen einiges wett zu machen.
Sydneyer Bars und Clubs scheinen die Illusion suggerieren zu wollen, dass ihre Heimat glanzvoller sei, als sie wirklich ist. Man findet hier viel Style und Neuzeit-Glamour, hohe Preise, neureiche Juppies, strickte Dresscodes, und saftige Portionen Skepsis, verhält man sich nicht szenegetreu.
In Melbourne dagegen schien Kreativität den Ursprung in persönlichem Interesse zu haben, während sie in Sydney eher einem Zugzwang zu entspringen scheint. Wonach Sydney so zwanghaft strebt, bleibt das Rätsel. Die Schattenseiten New Yorks hat die Stadt zumindest schon in australischer Form absorbiert. Der Sympathiepokal wird zweifellos weit vorbei getragen und anderweitig verliehen.
Dennoch, interessante Menschen, Bars, Techniken und Rezepturen durfte ich in Sydney für Mixology gewinnen. Das Establishment Merivale überzeugte mich besonders durch seine Architektur, Hugo's Bar Pizza durch seine Kompetenz und – last but not least - die Zeta Bar durch ihre Innovation. Sich ein eigenes Bild von Sydneys Bars zu machen, entschädigt den Aufenthalt.
Eine Selektion Sydneyer Bars
Den Glanz des Alten in den Kontext moderner Gestaltung setzend bietet es heute ein Kunst- und Unterhaltungsprogramm, das in Sydney einzigartig ist. Entertainer, Filmemacher, Musiker, darstellende und bildende Künstler erreichen durch ihre dortigen Ausstellungen und Shows ein breites Publikum.
Auf drei Ebenen befinden sich die Gallery Bar, die Verge Bar (incl. Bücherei und Theater) und die Attic Bar (besonders exklusiv) sowie das Dome à la carte Restaurant. Jede Ebene offeriert ein neues Ambiente, ein anderes Dekor.
Ben Davidson ist der Cocktail Chef des House Hotel. Das Autralian Bartender Magazine ernannte ihn zum Bartender des Jahres 2005 und Grand Marnier verlieh ihm die heiß begehrte Trophy für seinen Rio Grande (3cl grand marnier, 3cl cuervo 1800 anejo, 1,5cl liqueur de pomme verte, 4 lime wedges, 2cl apple juice, 2 slices of chilli, 1 dash of sugar syrup, grand marnier foam. Muddle chilli and limes with a bar spoon, shake with remaining ingredients on ice, double strain into sea salt rimmed martini glass, layer with Grand Marnier foam, garnish with apple disc, lime zest and sliced chilli). Neben dieser schmücken allerlei andere Trophäen und Pokale das bestens ausgestattete Rückbuffet.
Als ich Jamie Cox, den sehr zuvorkommenden Bartender, im Gespräch über Mixology begeistere, posiert hinter mir ein weibliches Aktmodel, während die Masse hektisch mit Bleistiften Papier bekrickelt. Aber vor mir stellen sich Agavero Tequila, Alize bleu und Green fairy Absinth neben Creme de griotte und Creme de gingembre zur Schau. Entzückt, beeindruckt und hin und her gerissen, worauf ich den Blick konzentrieren soll, stelle ich fest: es gibt zu viel zu gucken und zu probieren in Sydneys Art House Hotel.
Die Wahl aus dem großen Cocktailangebot der Blu Horizon Bar fällt schwer. Hätte es zu dieser frühen Stunde schon ein Smoking Honcho sein dürfen (apple tobacco infused 42 bellow vodka, agwa , vanilla liqueur and apple sourz shaken with apple juice, served with cinnamon rim)? In der sonnendurchfluteten Lounge genießt das neureiche Publikum mittleren Alters die Qual der Wahl. Bei entspanntem Jazz und Easy Listening wird im Polstermöbel geruht und beim Blick auf die Sydney Habour Bridge und das Opera House verköstigt.
Die sehr großräumige, weite Bar im Eingangsbereich, deren mittiger Tresen von altertümlichen Säulen begleitet wird, fängt die Sydneyer Downtown After-Work-Trinker ab. Die dahinter liegende Garden Bar erfreut den schaulustigen Touristen, während die darüber liegende Hemmesphere das A-Klasse Publikum beherbergt. Im international bekannten und oft von Prominenten beehrten Tank Club treibt die Tank Stream Bar zu späterer Stunde unterirdisch ihr Unwesen.
Zum Komplex gehört ebenfalls das Luxushotel des Establishment, das ein weiteres Stockwerk für sich beansprucht sowie die zwei preisgekrönten Restaurants Est und Sushi-e.
Das Merivale Team, die Schirmherren (denen in Sydney weitere Betriebe gehören), bringen mit dem Establishment australische Gastronomie- und Hotellerie- Standards auf ein neues Level. Einer von Ihnen, Michal Hicks, der Hotelmanager, nimmt sich ausgiebig Zeit, um mir die vielen Ebenen des Gebäudes vorzustellen.
Die Hälfte des Bauwerkes ist die Ruine eines im 19. Jahrhundert erbauten und später halb abgebrannten Schafschlachthofes und Schafhandelgebäudes. Die Raumatmosphären, die aus diesem Alt und Neu entstehen, sind einzigartig. Mein persönlicher Favorit aller Stockwerke ist der Keller. Dort befindet sich der rund 1000 Personen fassende, verschachtelte und sich über mehrere Kellerebenen ausdehnende Tank Club. Mit alten Holzträgern und marodem Mauerwerk im Kontrast zu hochmodernen Lounges, Sofas, Plastikmöbeln, Samt und Glamour ist er ein innenarchitektonisches Leckerbissen fürs Auge und bestimmt der perfekte Ort zum Feiern (leider befinden wir uns außerhalb der Öffnungszeiten). Auch die Garden Bar, in der ich mich lange am Tresen mit Flairtender Alex Dickson unterhalte (siehe twisted liquid), ist ohnegleichen. Hier trifft alt und neu am unmittelbarsten aufeinander. Schlichte Glaswände und das Glasdach ersetzen das Mauerwerk, das einstürzte. Halb Ruine, halb Wintergarten – ein wirklich beeindruckender Raum, in dem Backsteinwände, ein Brunnen und freistehende Säulen von vergangenen Tagen erzählen.
Das Back Up der Bars und das stimmige Cocktailangebot kann sich nicht minder sehen lassen. Der Lemon & Ginger Fizz sei einer der Renner, beschwört Alex (tangy gingered lemon with medos honey vodka, cointreau, liqueur de citron et gingembre, shaken over ice and topped with soda). Doch es gibt Momente, da muss es schlichtweg der gute alte Cosmopolitan sein, den mir Alex ohne Widerrede äußerst lecker zurecht flairt, um ihn mit einer flambierten Orangenzeste zu garnieren. Von guter Küche bin ich bisher nur theoretisch überzeugt. Da aber das Suhi-e zum besten Sushirestaurant Australiens gekrönt wurde, lassen sich ohnehin unangebrachte Zweifel ablegen. Das Establishment ist ein Muss!
Seitdem es die Hugo's Bar Pizza gibt, pilgern die Massen jeden Tag in der Woche an den u.a. von Mark Ward (dem Barmanager), Chimay Green oder Julian Damjano behüteten, breiten, beleuchteten Tresen in ein gemütliches Trinkambiente mit delikaten Pizzas. So offen wie der Innenraum in den äußeren Sitzbereich übergeht, hüpft die Strasse beim Pizzaknabbern auf dem Ledersofa vorm Kamin fast auf den Teller. Das Design überzeugt durch natürliche Materialien und warme Farbtöne.
Julian Damjano, mit dem ich später zusammensitze, ordnet die besonderen Qualitäten der Hugo's Bar Pizza dem Gesamtambiente und -bild zu. Besonders hervorzuheben sei außerdem, dass sowohl die Küche als auch die Bar ausschließlich mit Produkten höchster Qualität arbeitet. Das engagiere sich wirklich für das, was es tut. „We are exceeding expectations.“
Er erzählt mir, dass sich (abgesehen von den Dauerrennern Mojito, Negroni und Lychee Martini) monatlich die Cocktailhighlights ändern, zumal sie sich auf neue wechselnde Produkte ausrichten.
Und: die Basisspirituose sei immer das Steak jedes Cocktails. Die Aroma gebenden Zusätze (Liköre, Säfte, Sirups) seien dieses Steaks Soße. Ein charmantes Bildnis.
Sollte manch Gast eine gar schwere Last an Geld mit sich herumtragen, kann er sich derer via eines Siwucha Martini (Vodka Martini mit polnischem Siwucha) für 50$ (rund 32€) entledigen.
Produkte, die straight up getrunken zu den beliebtesten gehören, sind Frangelico (on lime), Tuaca Likör (aus Italien), Belverdere und South Gin. Zu den neuesten Errungenschaften des Regals gehört Junipero Gin, Old Potrero Single Malt (USA) und Oude Genever (man höre und staune). Doch keine Spirituose, die pur bestellt wird, geht wirklich pur über den Tresen. Jede wird durch eine Beigabe der in ihrer Herstellung verwendeten Früchte, Schalen, Nüsse oder Gewürze ergänzt. Beispielsweise wird Ciroc Vodka, der aus Trauben destilliert ist, pur mit Weintrauben serviert. Julian selbst trinkt jedoch am liebsten einen Sazerac mit 50% Bourbon und 50% Cognac, um erfolgreich in den Abend zu starten.
Die Frage, warum er zum Bartender wurde, beantwortet er mir der Mystik der Drinks. Heute noch gehe die Geschichte der Cocktails auf jene zurück, die Menschen schon vor 150 Jahren tranken. Diese alte Schule mache in Addition und Kombination zu neuen Trends und Techniken Julians Faszination für den Beruf aus. Ferner sei man immer unter Menschen, am Puls der Zeit, einfach draußen, wo „es“ oder „etwas“ passiert. Seine Gäste seien seine Gäste, nicht seine Kunden - das sei der gravierende Unterschied. Julian bezeichnet sich als wahren Gastfreund und sieht im Alkohol etwas Gutes (worin ich ihm gegenüber meine Zweifel anbringe).
Zum Schluss möchte ich wissen, was er am wenigsten an seinem Beruf schätzt. Abgesehen vom Putzen, lacht er, seien es die Arbeitszeiten, die es erschweren, außergastronomische Kontakte zu pflegen. Und: „real drunk and arrogant customers, who don’t appreciate what they’re drinking. They just drink to get drunk and they are not really appreciating what you do as well. They might not classify what you are doing as a professional. Sometimes they might think they are above you cause you are serving them drinks. You’re like their slaves.“ Aber die Vorteile überwögen bei weitem jegliche Nachteile des Bartendings.
Seit meinem Besuch der Llama Bar in Perth ist mir Slate ein Begriff, doch im Victoria Room begegnet mir endlich die erste Flasche dieses neuen Bourbons. Auch Medos Honey Vodka und Vitek Rose & Almond Vodka (26% Vol.) erregen Aufsehen. Dagegen ist Millers Gin schon ein alter Hase. Die Entscheidung, in vorgekühlten Gläsern diese Exoten oder einen der 23 Cocktails zu verkosten, bleibt das Opfer meiner Unentschlossenheit.
Der chic gekleidete Besucher ist überwältigt, als der Glasfahrstuhl im vierten Stock hinter ihm die Türen schließt. Der New Yorker Tony Chi gestaltete das Innere der Zeta Bar, deren Eingangsbereich übergangslos in einen großen Barbereich übergeht. Der Gast zahlt gern 17$ für einen Cocktail, denn die offene Bar ermöglicht ihm das Erlebnis, dem Bartender direkt bei der Zubereitung zusehen zu können. Da es hier nicht nur ums Mixen, sondern auch um die Flambierungskünste der Barktender gehen kann, handelt es sich um ein lohnendes Spektakel. Der Grilled pineapple & cracked pepper martini und der Burnt lemon & vanilla margarita lassen mit sich liebäugeln. Doch für meinen Bbq´d blood orange & rosemary fix muss sich eine halbe Blutorange einer offenen Gasflamme auf dem Tresen ausliefern, bevor sie gepresst und in Alkoholika ertränkt wird. Das Ergebnis ist ein völlig neues Geschmackserlebnis, fast als hätte der Shaker in der Nacht zuvor beim BBQ mit Blutorange und Rosmarin zu lange im Rauch gelegen (Rezeptur: „Grilled blood orange and baked rosemary, charged with belvedere pomarancza and lengthened with mandarin napoleon, sweet vermouth & homemade rosemary syrup“). Die Beschreibung eines New York Foam ließt sich in der Getränkekarte: „This Vodka martini is finished with a squirt of tasty unique foam. When this breaks down into and through the drink, it completely changes the taste profile adding a fluffy texture to its DNA. This technique was originally pioneered on the lower east side of Manhattan. A simple but radical fusion of Absolut Vanilla Vodka, Butterscotch Schnapps and Limoncello finished with Zeta´s homemade butterscotch & cinnamon foam“. Ein Stück New York in Sydney also, das mag die Zeta Bar sein.
Möglich, dass dieser Einfluss dem Manager Jason Crawley zuzuschreiben ist, der lange als Barkeeper in New York und London gearbeitet hat und heute außerdem einer der Köpfe von Maxxium in Australien ist. Jason umschwärmt mit gegenüber insbesondere diese innovativ neuen Cocktailkreationen.
Aber auch jener Gast, welcher dem Flammenspiel wenig abzugewinnen vermag, bekommt mit einem tieferen Griff in die Geldbörse gern eine Flasche Dom Perignon 1996 Vintage für schlappe 365$ (ca. 240€). Die Champagnerliste und der Glasausschank einiger der edlen Tropfen sind für Australien bemerkenswert. Genau richtig, um auf einer cremefarbenen Couch vor dem wahrscheinlich weltgrößten Kamin oder lieber auf einer Ledercouch im asiatisch anmutenden Separee gegenüber der Bar mit der besseren Hälfte, oder einer just Aufgelesenen, die Zeit zu vergessen. Ein Hauch Asiens ist typisch für Tony Chi´s Design. In der Zeta Bar machen diesen die dunklen Wände im Kontrast zu intensiven Orangetönen der raumhoher Vorhänge.
Auf der großen offenen Terrasse tummelt sich zwischen Palmen das eher nicht auf Romanik gepolte Volk (und das rauchende). Mit Blick auf das mächtige, nachts blau beleuchtete Queen Victoria Building oder mal herab auf die George Street wippt es sich zu den elektronisch-groovigen Sounds des Balkon-DJs hervorragend.
Die Zeta Bar in Sydney ist nicht mit ihren Schwestern in London und Kuala Lumpur vergleichbar, da keine von ihnen der anderen ähnelt. Jason Crawley und seiner rechten Hand Mike Enright, ist es mit der Zeta Bar gelungen, neue Horizonte der Mixkunst zu eröffnen uns etwas zu erschaffen, das Sydney vorher nie sah.
...weitere Empfehlungen:
Downtown ähnelt die Metropole eher New York als Melbourne, aber östlich vom Hyde Park, da wo sich Kings Cross, Potts Point und Darlinghurst aneinander drängen, ist das Vergnügungslust-, Drogen- und Rotlichtmilieu der bittere Beigeschmack. Sydneys Strände, die als ihr einziges Manko nicht in greifbarer Stadtnähe liegen, versuchen einiges wett zu machen.
Sydneyer Bars und Clubs scheinen die Illusion suggerieren zu wollen, dass ihre Heimat glanzvoller sei, als sie wirklich ist. Man findet hier viel Style und Neuzeit-Glamour, hohe Preise, neureiche Juppies, strickte Dresscodes, und saftige Portionen Skepsis, verhält man sich nicht szenegetreu.
In Melbourne dagegen schien Kreativität den Ursprung in persönlichem Interesse zu haben, während sie in Sydney eher einem Zugzwang zu entspringen scheint. Wonach Sydney so zwanghaft strebt, bleibt das Rätsel. Die Schattenseiten New Yorks hat die Stadt zumindest schon in australischer Form absorbiert. Der Sympathiepokal wird zweifellos weit vorbei getragen und anderweitig verliehen.
Dennoch, interessante Menschen, Bars, Techniken und Rezepturen durfte ich in Sydney für Mixology gewinnen. Das Establishment Merivale überzeugte mich besonders durch seine Architektur, Hugo's Bar Pizza durch seine Kompetenz und – last but not least - die Zeta Bar durch ihre Innovation. Sich ein eigenes Bild von Sydneys Bars zu machen, entschädigt den Aufenthalt.
Eine Selektion Sydneyer Bars
- Art House Hotel, 275 Pitt Street, Sydney
Den Glanz des Alten in den Kontext moderner Gestaltung setzend bietet es heute ein Kunst- und Unterhaltungsprogramm, das in Sydney einzigartig ist. Entertainer, Filmemacher, Musiker, darstellende und bildende Künstler erreichen durch ihre dortigen Ausstellungen und Shows ein breites Publikum.
Auf drei Ebenen befinden sich die Gallery Bar, die Verge Bar (incl. Bücherei und Theater) und die Attic Bar (besonders exklusiv) sowie das Dome à la carte Restaurant. Jede Ebene offeriert ein neues Ambiente, ein anderes Dekor.
Ben Davidson ist der Cocktail Chef des House Hotel. Das Autralian Bartender Magazine ernannte ihn zum Bartender des Jahres 2005 und Grand Marnier verlieh ihm die heiß begehrte Trophy für seinen Rio Grande (3cl grand marnier, 3cl cuervo 1800 anejo, 1,5cl liqueur de pomme verte, 4 lime wedges, 2cl apple juice, 2 slices of chilli, 1 dash of sugar syrup, grand marnier foam. Muddle chilli and limes with a bar spoon, shake with remaining ingredients on ice, double strain into sea salt rimmed martini glass, layer with Grand Marnier foam, garnish with apple disc, lime zest and sliced chilli). Neben dieser schmücken allerlei andere Trophäen und Pokale das bestens ausgestattete Rückbuffet.
Als ich Jamie Cox, den sehr zuvorkommenden Bartender, im Gespräch über Mixology begeistere, posiert hinter mir ein weibliches Aktmodel, während die Masse hektisch mit Bleistiften Papier bekrickelt. Aber vor mir stellen sich Agavero Tequila, Alize bleu und Green fairy Absinth neben Creme de griotte und Creme de gingembre zur Schau. Entzückt, beeindruckt und hin und her gerissen, worauf ich den Blick konzentrieren soll, stelle ich fest: es gibt zu viel zu gucken und zu probieren in Sydneys Art House Hotel.
- Bayswater Brasserie, 32 Bayswater Road, Kings Cross, Sydney
- Blu Horizon Bar, Shangri-La Hotel, Level 36, 176 Cumberland Street, the Rocks, Sydney
Die Wahl aus dem großen Cocktailangebot der Blu Horizon Bar fällt schwer. Hätte es zu dieser frühen Stunde schon ein Smoking Honcho sein dürfen (apple tobacco infused 42 bellow vodka, agwa , vanilla liqueur and apple sourz shaken with apple juice, served with cinnamon rim)? In der sonnendurchfluteten Lounge genießt das neureiche Publikum mittleren Alters die Qual der Wahl. Bei entspanntem Jazz und Easy Listening wird im Polstermöbel geruht und beim Blick auf die Sydney Habour Bridge und das Opera House verköstigt.
- Establishment, Hemmesphere und Tank Club, 252 George Street, Sydney
Die sehr großräumige, weite Bar im Eingangsbereich, deren mittiger Tresen von altertümlichen Säulen begleitet wird, fängt die Sydneyer Downtown After-Work-Trinker ab. Die dahinter liegende Garden Bar erfreut den schaulustigen Touristen, während die darüber liegende Hemmesphere das A-Klasse Publikum beherbergt. Im international bekannten und oft von Prominenten beehrten Tank Club treibt die Tank Stream Bar zu späterer Stunde unterirdisch ihr Unwesen.
Zum Komplex gehört ebenfalls das Luxushotel des Establishment, das ein weiteres Stockwerk für sich beansprucht sowie die zwei preisgekrönten Restaurants Est und Sushi-e.
Das Merivale Team, die Schirmherren (denen in Sydney weitere Betriebe gehören), bringen mit dem Establishment australische Gastronomie- und Hotellerie- Standards auf ein neues Level. Einer von Ihnen, Michal Hicks, der Hotelmanager, nimmt sich ausgiebig Zeit, um mir die vielen Ebenen des Gebäudes vorzustellen.
Die Hälfte des Bauwerkes ist die Ruine eines im 19. Jahrhundert erbauten und später halb abgebrannten Schafschlachthofes und Schafhandelgebäudes. Die Raumatmosphären, die aus diesem Alt und Neu entstehen, sind einzigartig. Mein persönlicher Favorit aller Stockwerke ist der Keller. Dort befindet sich der rund 1000 Personen fassende, verschachtelte und sich über mehrere Kellerebenen ausdehnende Tank Club. Mit alten Holzträgern und marodem Mauerwerk im Kontrast zu hochmodernen Lounges, Sofas, Plastikmöbeln, Samt und Glamour ist er ein innenarchitektonisches Leckerbissen fürs Auge und bestimmt der perfekte Ort zum Feiern (leider befinden wir uns außerhalb der Öffnungszeiten). Auch die Garden Bar, in der ich mich lange am Tresen mit Flairtender Alex Dickson unterhalte (siehe twisted liquid), ist ohnegleichen. Hier trifft alt und neu am unmittelbarsten aufeinander. Schlichte Glaswände und das Glasdach ersetzen das Mauerwerk, das einstürzte. Halb Ruine, halb Wintergarten – ein wirklich beeindruckender Raum, in dem Backsteinwände, ein Brunnen und freistehende Säulen von vergangenen Tagen erzählen.
Das Back Up der Bars und das stimmige Cocktailangebot kann sich nicht minder sehen lassen. Der Lemon & Ginger Fizz sei einer der Renner, beschwört Alex (tangy gingered lemon with medos honey vodka, cointreau, liqueur de citron et gingembre, shaken over ice and topped with soda). Doch es gibt Momente, da muss es schlichtweg der gute alte Cosmopolitan sein, den mir Alex ohne Widerrede äußerst lecker zurecht flairt, um ihn mit einer flambierten Orangenzeste zu garnieren. Von guter Küche bin ich bisher nur theoretisch überzeugt. Da aber das Suhi-e zum besten Sushirestaurant Australiens gekrönt wurde, lassen sich ohnehin unangebrachte Zweifel ablegen. Das Establishment ist ein Muss!
- Hugo's Bar Pizza, 33 Bayswater Road, Kings Cross, Sydney
Seitdem es die Hugo's Bar Pizza gibt, pilgern die Massen jeden Tag in der Woche an den u.a. von Mark Ward (dem Barmanager), Chimay Green oder Julian Damjano behüteten, breiten, beleuchteten Tresen in ein gemütliches Trinkambiente mit delikaten Pizzas. So offen wie der Innenraum in den äußeren Sitzbereich übergeht, hüpft die Strasse beim Pizzaknabbern auf dem Ledersofa vorm Kamin fast auf den Teller. Das Design überzeugt durch natürliche Materialien und warme Farbtöne.
Julian Damjano, mit dem ich später zusammensitze, ordnet die besonderen Qualitäten der Hugo's Bar Pizza dem Gesamtambiente und -bild zu. Besonders hervorzuheben sei außerdem, dass sowohl die Küche als auch die Bar ausschließlich mit Produkten höchster Qualität arbeitet. Das engagiere sich wirklich für das, was es tut. „We are exceeding expectations.“
Er erzählt mir, dass sich (abgesehen von den Dauerrennern Mojito, Negroni und Lychee Martini) monatlich die Cocktailhighlights ändern, zumal sie sich auf neue wechselnde Produkte ausrichten.
Und: die Basisspirituose sei immer das Steak jedes Cocktails. Die Aroma gebenden Zusätze (Liköre, Säfte, Sirups) seien dieses Steaks Soße. Ein charmantes Bildnis.
Sollte manch Gast eine gar schwere Last an Geld mit sich herumtragen, kann er sich derer via eines Siwucha Martini (Vodka Martini mit polnischem Siwucha) für 50$ (rund 32€) entledigen.
Produkte, die straight up getrunken zu den beliebtesten gehören, sind Frangelico (on lime), Tuaca Likör (aus Italien), Belverdere und South Gin. Zu den neuesten Errungenschaften des Regals gehört Junipero Gin, Old Potrero Single Malt (USA) und Oude Genever (man höre und staune). Doch keine Spirituose, die pur bestellt wird, geht wirklich pur über den Tresen. Jede wird durch eine Beigabe der in ihrer Herstellung verwendeten Früchte, Schalen, Nüsse oder Gewürze ergänzt. Beispielsweise wird Ciroc Vodka, der aus Trauben destilliert ist, pur mit Weintrauben serviert. Julian selbst trinkt jedoch am liebsten einen Sazerac mit 50% Bourbon und 50% Cognac, um erfolgreich in den Abend zu starten.
Die Frage, warum er zum Bartender wurde, beantwortet er mir der Mystik der Drinks. Heute noch gehe die Geschichte der Cocktails auf jene zurück, die Menschen schon vor 150 Jahren tranken. Diese alte Schule mache in Addition und Kombination zu neuen Trends und Techniken Julians Faszination für den Beruf aus. Ferner sei man immer unter Menschen, am Puls der Zeit, einfach draußen, wo „es“ oder „etwas“ passiert. Seine Gäste seien seine Gäste, nicht seine Kunden - das sei der gravierende Unterschied. Julian bezeichnet sich als wahren Gastfreund und sieht im Alkohol etwas Gutes (worin ich ihm gegenüber meine Zweifel anbringe).
Zum Schluss möchte ich wissen, was er am wenigsten an seinem Beruf schätzt. Abgesehen vom Putzen, lacht er, seien es die Arbeitszeiten, die es erschweren, außergastronomische Kontakte zu pflegen. Und: „real drunk and arrogant customers, who don’t appreciate what they’re drinking. They just drink to get drunk and they are not really appreciating what you do as well. They might not classify what you are doing as a professional. Sometimes they might think they are above you cause you are serving them drinks. You’re like their slaves.“ Aber die Vorteile überwögen bei weitem jegliche Nachteile des Bartendings.
- Lotus Bar, 22 Challis Avenue, Potts Point, Sydney
- Orbit Lounge Bar and Summit Restaurant, Level 47, Australia Square, 264 George Street, Sydney
- Ruby Rabbit, 231 Oxford St, Darlinghurst, Sydney
- Victoria Room, Level 1, 235 Victoria Street, Darlinghurst, Sydney
Seit meinem Besuch der Llama Bar in Perth ist mir Slate ein Begriff, doch im Victoria Room begegnet mir endlich die erste Flasche dieses neuen Bourbons. Auch Medos Honey Vodka und Vitek Rose & Almond Vodka (26% Vol.) erregen Aufsehen. Dagegen ist Millers Gin schon ein alter Hase. Die Entscheidung, in vorgekühlten Gläsern diese Exoten oder einen der 23 Cocktails zu verkosten, bleibt das Opfer meiner Unentschlossenheit.
- Water Bar, The Wharf at Woolloomooloo, Woolloomooloo, Sydney
- Zeta Bar, Hilton Hotel, Level 4, 488 George St, Sydney
Der chic gekleidete Besucher ist überwältigt, als der Glasfahrstuhl im vierten Stock hinter ihm die Türen schließt. Der New Yorker Tony Chi gestaltete das Innere der Zeta Bar, deren Eingangsbereich übergangslos in einen großen Barbereich übergeht. Der Gast zahlt gern 17$ für einen Cocktail, denn die offene Bar ermöglicht ihm das Erlebnis, dem Bartender direkt bei der Zubereitung zusehen zu können. Da es hier nicht nur ums Mixen, sondern auch um die Flambierungskünste der Barktender gehen kann, handelt es sich um ein lohnendes Spektakel. Der Grilled pineapple & cracked pepper martini und der Burnt lemon & vanilla margarita lassen mit sich liebäugeln. Doch für meinen Bbq´d blood orange & rosemary fix muss sich eine halbe Blutorange einer offenen Gasflamme auf dem Tresen ausliefern, bevor sie gepresst und in Alkoholika ertränkt wird. Das Ergebnis ist ein völlig neues Geschmackserlebnis, fast als hätte der Shaker in der Nacht zuvor beim BBQ mit Blutorange und Rosmarin zu lange im Rauch gelegen (Rezeptur: „Grilled blood orange and baked rosemary, charged with belvedere pomarancza and lengthened with mandarin napoleon, sweet vermouth & homemade rosemary syrup“). Die Beschreibung eines New York Foam ließt sich in der Getränkekarte: „This Vodka martini is finished with a squirt of tasty unique foam. When this breaks down into and through the drink, it completely changes the taste profile adding a fluffy texture to its DNA. This technique was originally pioneered on the lower east side of Manhattan. A simple but radical fusion of Absolut Vanilla Vodka, Butterscotch Schnapps and Limoncello finished with Zeta´s homemade butterscotch & cinnamon foam“. Ein Stück New York in Sydney also, das mag die Zeta Bar sein.
Möglich, dass dieser Einfluss dem Manager Jason Crawley zuzuschreiben ist, der lange als Barkeeper in New York und London gearbeitet hat und heute außerdem einer der Köpfe von Maxxium in Australien ist. Jason umschwärmt mit gegenüber insbesondere diese innovativ neuen Cocktailkreationen.
Aber auch jener Gast, welcher dem Flammenspiel wenig abzugewinnen vermag, bekommt mit einem tieferen Griff in die Geldbörse gern eine Flasche Dom Perignon 1996 Vintage für schlappe 365$ (ca. 240€). Die Champagnerliste und der Glasausschank einiger der edlen Tropfen sind für Australien bemerkenswert. Genau richtig, um auf einer cremefarbenen Couch vor dem wahrscheinlich weltgrößten Kamin oder lieber auf einer Ledercouch im asiatisch anmutenden Separee gegenüber der Bar mit der besseren Hälfte, oder einer just Aufgelesenen, die Zeit zu vergessen. Ein Hauch Asiens ist typisch für Tony Chi´s Design. In der Zeta Bar machen diesen die dunklen Wände im Kontrast zu intensiven Orangetönen der raumhoher Vorhänge.
Auf der großen offenen Terrasse tummelt sich zwischen Palmen das eher nicht auf Romanik gepolte Volk (und das rauchende). Mit Blick auf das mächtige, nachts blau beleuchtete Queen Victoria Building oder mal herab auf die George Street wippt es sich zu den elektronisch-groovigen Sounds des Balkon-DJs hervorragend.
Die Zeta Bar in Sydney ist nicht mit ihren Schwestern in London und Kuala Lumpur vergleichbar, da keine von ihnen der anderen ähnelt. Jason Crawley und seiner rechten Hand Mike Enright, ist es mit der Zeta Bar gelungen, neue Horizonte der Mixkunst zu eröffnen uns etwas zu erschaffen, das Sydney vorher nie sah.
...weitere Empfehlungen:
- Minus 5, Level 2 Shop 18, Opera Quays, East Circular Quay, Sydney (mehr dazu bald aus gleichnamigem Etablissement in Auckland)
Mixologist - 2006/01/10 19:23