Dienstag, 7. Februar 2006

Bars in Wellington

Wie ein zweites Zuhause ist mir das, sich wenig verändernde, sympathische Städtchen immer noch vertraut, längst nachdem ich 2001 im Hafenrestaurant Shed 5 als Barkeeperin tätig war.
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In der Cuba Street tummeln sich wie damals Hippies, Punks und solche, die es einst waren oder werden wollten in 2nd Hand Platten- oder Kleiderläden. Schlips und Kragen spazieren im Business Distrikt rund um den Lambton Quay, Touristen reihen sich am Infoschalter auf und der frische Fisch schwimmt in den Hafen.

Bei gerade 400.000 Einwohnern Wellingtons wirkt das Aufgebot an Cafés, Restaurants und Take Aways nahezu irrational. Insbesondere die alternative Cafészene ist sehr verbreitet. Havana Coffee Works (34 Wigan Street) mahlt und röstet die frischen Bohnen, welche tags gern im Fidels (234 Cuba Street), später im Midnight Espresso (178 Cuba Street) oder Espressoholic (128 Courtenay Place) in zauberhafte Lattes oder Capuccinos verwandelt werden. Genüsse sondergleichen für Freunde heißen Koffeins.
Gestärkt von diesen Trünken wird die Nacht in Wellington zum Tag, egal ob die Wahl auf Live Musik in der Cuba Street oder Szene Clubs und Bars am Courtney Place fällt.
Diese Großsiedlung bunter Häuschen und einiger Business-Hochhäuser rund um eine Bucht, welche die Nordinsel von der Südinsel trennt, macht das Städtchen aus, das den Britischen Flair seit es existiert aufrechterhält. Wellington, der ganz spezielle Fleck Erde, ohne den Neuseeland an Charme einbüße.

  • Jet Bar and Lounge, Level 3, 36 Allan Street, Wellington

Eine Zeitreise zurück ins Jahr 2001 lässt mich wieder vor der Baustelle stehen, die sich bald in die Jet Bar verwandeln sollte. Damals waren die Besitzer des Hafenrestaurants Shed 5 nicht nur meine Chefs, sondern auch die siegessichereren Kreateure ihres neuen Babys Jet Bar. Siegessicher zu recht. Das Konzept einer hochklassigen Cocktailbar, kombiniert mit freundlich-modernem, flugzeugähnlichem Design hat von Anfang an Wellingtons Cocktail- und Loungefreunde in den unwiderstehlichen Bann gezogen. Besonders am Wochenende reihen sich bis heute die Massen vor den Türen.
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Die Minibar und das Gogo (Ecke Allan Street/Courtney Place) sind jüngere benachbarte Brüder der gleichen Väter.
An der Jet Bar sei speziell, dass sie für jede Zielgruppe geeignet ist, meint Will Pitchforth, einer der Bartender und Manager im Interview. Nicht umsonst sei sie eine der meistbesuchtesten Bars in Wellington. Die Offenheit zur Strasse erweckt Neugier. Im Inneren erschließen sich dem Gast drei verschiedene Bars: Die ebenerdige Main Bar, die Bar im Seitenausbau und die Bar im gewölbten Untergeschoss. Auf Grund der drei Räumlichkeiten ist es möglich, verschiedene Musikgeschmäcker zu erreichen – von Jazz, House, Hip Hop bis Pop.
Weiter erzählt mir Will von dem steigenden Produktbewusstsein der Gäste. Das Angebot von rund 100 Cocktails irritiert diese nicht bei der Bestellung eines nicht aufgelisteten Grey Goose oder Tanqueray 10 Martinis. Whiskys und Tequilas erfreuen anhaltend straight up (und Will persönlich nach Feierabend in Form des Manhattans oder Whisky Sours), wobei das neueste Produkt Lemon Z sei. Geschmacklich rund, erfrischend und nicht zu süß eignet sich dieser Zitronenlikör aus dem Norden Neuseelands hervorragend zum Mixen.
Als Wissenschaftler, der in Chemie und Physiologie promovierte, genoss Will nie eine professionelle Barkeeperausbildung. Doch schätzt Will seit 1,5 Jahren an seiner Tätigkeit in der Jet Bar insbesondere den Kontakt mit unterschiedlichsten Menschen, vom Lieferanten über Kollegen zum Gast, außerdem die Organisation des Ablaufs jedes täglichen Geschehens. Schulungen für Bartender würden in Neuseeland zwar angeboten, aber seien nicht als besonders hochwertige Qualifikationen angesehen. Letztlich bilde jede Bar ihr Personal nach ihren eigenen Ansprüchen selbst aus. Es sind eher Whisky- oder Weinverkostungen, zu denen die jeweiligen Betreiber ihr Personal animieren.
Ob Will plant, auf lange Sicht in der Branche tätig zu bleiben, kann er mir nicht sagen. Er genieße zurzeit lediglich, was er tue. Das einzige, was ihn manchmal nerve, sei unmotiviertes Personal, das den Job lediglich als Job sähe, nicht als Berufung. Gastfreundschaft müsse man leben und verkörpern, damit auch der Gast sich wohl und willkommen fühlt.

  • Matterhorn, 106 Cuba Street, Marion Square, Wellington

Nachmittags bin ich zum Kaffeetrinken im Hinterhof des Mattahorn mit Christian McCabe verabredet, dem Barmanager dieser ewig währenden Wellingtoner Lounge Bar. Vor fünf Jahren glich sie im Gegensatz zu heute eher einer Absteige betuchter Studenten. Der Tresen war einfach, der Innenraum klein, der offene Hinterhof mit seinen Heizpilzen alternativ und rustikal, doch die Preise dennoch saftig. Heute sind es drei Tresen, ein ausgebauter Restaurantbereich mit japanischem Garten und ein großer gemütlicher Innenhof für Raucher oder Frischluftfreunde.
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Nachdem Christian und ich eine Weile in der Mixology blättern und über Bartender Magazine plaudern, beginnt der Kaffee zu wirken. Christian entlarvt sich als Autorenkollege, der für das New Zealand Bartender Magazine schrieb. Als wir dann zum Weiterblättern in die Karte des Mattahorn übergehen, erstaunt mich das sehr große Cocktailangebot neben 300 Weinen (davon 80 offen). Bezüglich der Mixgetränke bleiben Mojitos trotzdem an erster Stelle aller Meistverkauften, beteuert Christian. Auf der Webseite ist das volle, bunte, kreative Spektrum aller anderen Drinks als Download verfügbar.
Summiert man die einzelnen Längen der vielen Rückbuffets, so ergäben sich eine schätzungsweise 30 Meter lange Flaschenparade, die u.a. aus rund 20 Scotch Whiskys, 15 Cognacs und 15 Rums besteht. Pur zwitschert der Wellingtoner im Mattahorn am liebsten Vodka (Beverdere), Gin (Tanguaray 10) oder Rum (Havana Club, auch als Rum Old Fashioned). Neuseeland habe es im Gegensatz zu Australien einfacher, Alkoholika zu importieren. Insbesondere Rums finden sich hier in breitester Vielfalt. Hochwertige Cognacs, wie z.B. Hennessy Paradis, sind neueste Errungenschaften des Mattahorn, die andernorts nicht zu finden sind. Doch bei einer Bevölkerungsdichte von ca. 4 Millionen Menschen in ganz Neuseeland, von denen wahrscheinlich nur 3 Millionen alt genug sind um trinken zu dürfen, ist die Zahl derer, die es sich leisten können, extrem teure Spirituosen zu genießen, verschwindend gering. Dennoch steigen Neuseelands Bar Standards mit den Konsumenten Ansprüchen zunehmend. „And we try to raise our customers expectations, make them expect a bit more of going out. There is more about it than getting a drink popped on your table,“ so Christian.
Er selbst gönnt sich privat Scotch in Form eines Rob Roy oder Old Fashioned. Angefangen hat seine Karriere als Bartender zu Studentenzeiten. 1998 arbeitete Christian in einigen Bars und Clubs in Melbourne, insbesondere im Hairy Canary, bevor er sieben Jahre später zum Teilhaber des Mattahorn wurde. Dabei war es nie seine Absicht, Bartender zu werden. Doch die Gelegenheit, sein eigenes Business in dieser Branche zu eröffnen, war verlockend. Heute liebt er das Aktive an seiner Tätigkeit, den zügigen Ablauf, den Stress und die ständige Bewegung. „I like the strategic planning to constantly amaze people” und das, was man von diesen Gästen als Dank genauso zurück bekommt.

Bezüglich der Frage nach professionellen Ausbildungen für Bartender in Neuseeland erwähnt Christian lobend die gut ausgereiften Sommelier-Ausbildungen und Weinschulungen, doch von Bartender Kursen rät er ab. „So much about this job is about passion and personality. You’ve got to be a nice person, you’ve got to be enjoy what you do and you’ve got to like people. You’ve got to like to learn about your products, you’ve got to want to experiment with them and come up with new things. You can’t just learn a hundred cocktails and go do the job. It’s a dynamic job and you’ve got to be constantly creative. (...) Those are all skills you learn best on the job, on the stimulation of other people talking about it, trying things out.“

  • Good Luck, 126 Cuba Street, Wellington

An diesem ruhigen Montagabend setze ich mich zu Kaje Simpson, dem Assistant Bar Manager des Good Luck an die Tresenluke. Anders lässt sich die Durchreiche des Holzkäfigs namens Tresen mitten im Raum nicht bezeichnen. Kaje selbst beschreibt seinen Arbeitsplatz als „weird and crazy cocktail basement“. Treffend.
Das besondere des Good Luck seien die Gäste und der Spaß an der Arbeit. „I am enjoying to make drinks I believe in with products I believe in to serve people I like to serve.“ Und an die Drinks lässt sich wirklich glauben! Das Buch, das sich Karte nennt, umfasst nicht nur zahlreiche internationale Biere und eine gute Auswahl an Weinen, sondern über 40 Classics, 20 Martinivariationen sowie über 70 extravagante Eigenkreationen (incl. einer Reihe an flavored Mojitos und Caipirinhas), die vor allem der Feder des General Managers Riki Carter als auch der dessen Team entsprungen sind. Diese Karte wird ca. zweimal im Jahr durch die Reduktion weniger gängiger Drinks geschmälert und durch die Addition neuer Kreationen erneuert. Die Preise sind bei 13,50-20$ (ca. 6,50-10€) erschwinglich, wie zumeist in Neuseeland. Vermutlich, da der Kiwi weniger verdient als vergleichsweise der Australier (Neuseelands Mindestlohn für Barkeeper liegt bei 10,50$/ca. 6€).
Bei meinem ersten Besuch des Good Luck entschied ich mich (noch inkognito) für den Kiwi Mana, eine Assemblage aus 42 Below Kiwi Vodka, Anis Sirup, Canela (Zimtlikör von Marie Brizard), frischer Kiwi und Zitrone, aufgefüllt mit Ginger Beer im Sling, garniert mit Nelkenblüten und Zimtstangen. Heute jedoch sollte es trotz dieses grandiosen Geschmackserlebnisses ein „cocktail with texture“ sein. Jene verkörpern die Idee, Speisen –zumeist Fruchtsorbets- in Drinks zu integrieren. Als Gängigsten betrachtet Kaje den Cucumber and Lychee Martini (south, soho, fresh lime and lychees, served with picked ginger and cucumber compote). Dennoch empfielt er mir einen Chilli and Passionfruit Sangria von Riki Carter. Eine Menge Arbeit für ihn, wie ich feststellen muss. Chilistücke werden in Zucker gewendet und dieser per Gasflamme karamellisiert, während Orangenzesten im Grand Marier Bad gemach vor sich hin brennen. Dieses Obst und Gemüse trifft sich mit frischem Maracujafruchtfleisch im Shaker beim 42 Below Maracuja. Ein frischer Apfel steigt flüssig mit ein, bevor sich alles schüttelt und im eisigen Cognacschwenker Platz findet, rechtzeitig bevor sich 4cl Shiraz herüber floaten.
Nach all dieser Arbeit kommen wir auf die Küche zu sprechen, die, wie ich herausfinde, aus Platzmangel gar nicht existiert. Der an den kleinen runden Tischen speisende Gast wird zumeist unwissentlich vom Inder bzw. Südkoreaner von der anderen Straßenseite bekocht.
Danach trinkt man zum Verdauen straight up am liebsten Vodka. Neu im Sortiment wäre allerdings Tuaca, der in Neuseeland eigentlich nicht erhältlich ist. Ich staune auch über Americano Gancia, Cherry Heering (hier selten zu sehen) und Casoni Alchermes. Anhaltend.

  • Havana Coffee Works & Bar, 34 Wigan Street, Wellington

Hätte mir ein “Local” am Tresen des Good Luck nicht verraten, dass die Havana Bar existiert, hätte ich mich wahrscheinlich nicht in dieser düsteren Seitenstraße wieder gefunden. Außen wirkt das alte Doppelwohnhaus zerfallen, dunkel und wenig einladend. Der linke Teil des Hauses röstet und verkauft tagsüber Tüten- oder Sackweise den großartigen Kaffee, der in den zahllosen örtlichen Cafés verkonsumiert wird.
Im Dunkel schlummern nachts die Kaffeebohnen, während nebenan der Partygeist erwacht. Mich empfängt eine laute, ausgelassen trällernde, zur Lifeband tanzende Kommune als ein Mischmasch lokaler Gastonomen und deren Anhänger in Wohnzimmer- bis Campingatmosphäre. Im bunten überdachten Hinterhof einige kleine Jägermeister zu vertilgen gehört derweil zum Brauch. Die Havana Bar? Für anspruchslose Unkomplizierte DER Geheimtipp!
  • Motel Bar, Forresters Llane, Wellington

Die Motel Bar ist mir von Christian McCabe und Kaje Simpson als eine der besten Bars der Stadt empfohlen worden, auch Worlds Best Bars stimmt dem zu. Doch leider entsprechen die Öffnungszeiten nicht mit meinen möglichen Besuchszeiten. Vermutlich sehr schade. Aber es wird immer Gründe geben, zurück nach Wellington zu kommen...

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